„25 Minuten reichen nicht, um die Welt zu erklären“ 

Am Job als Tagesschaumoderatorin beim SRF ist wohl das Moderieren am bekanntesten. Doch es gibt noch viel mehr zu tun, als am Abend nur in die Kamera zu sprechen. Wir durften Cornelia Boesch an einem Arbeitstag begleiten und verschafften uns exklusive Einblicke hinter die Kulissen des schweizerischen Fernsehens. Eine Reportage von Adina Hueber und Maksim Hirschi. 

SRF-Studio Zürich Leutschenbach, Foto Maksim

Die Luft ist frisch, als wir aus dem Bus aussteigen, vor uns erscheint ein gewaltiger Komplex mit einem grossen und uns gut bekannten Logo:  das rot und weisse SRF-Logo. Wir befinden uns bei den in den1970er Jahren errichteten Studios in Zürich Leutschenbach, wo die Fernsehproduktionen des schweizerischen Fernsehens hergestellt werden. Im Empfang umweht uns ein angenehmer Kaffeegeruch und wenige Minuten später kommt uns eine aufgeweckte Frau entgegen. „Fröit mi, ich bin d’Conni!“, begrüsst uns die Tageschaumoderatorin Cornelia Boesch herzlich.  Wir folgen ihr durch die schier endlos scheinenden Bürogänge, bis wir zum Gebäudeteil mit den Grossraumbüros kommen, die oberhalb vom Studio liegen. 

Gelöste Stimmung und dennoch professionell 

Es ist 14:30 Uhr und die Redaktionssitzung steht an. Die Stimmung ist gelöst und doch merkt man schnell, dass es den Personen bei der Sendungsreflexion und -Kritik der Abend- und Mittagsausgabe ernst ist. Konkrete Themen – wie der Ausfall des Teleprompters bei der Mittagstageschau und die gute Improvisation der Moderatorin - werden besprochen und offen diskutiert. 

Das Thema der Sitzung ändert sich und es folgt die Besprechung der Beiträge für die nächste Tagesschauausgabe. Es werden Themen für die Sendung zusammengesucht oder auch aus dem Programm geworfen, wenn diese nicht umsetzbar sind.  Mit dabei und fest eingebunden in die Besprechung ist die Moderatorin Cornelia Boesch. sie macht konkrete Vorschläge zum Aufbau von der gesamten Sendung je nach Relevanz der Themen. Spätestens um 15:00 Uhr sollte die ganze Sendung in groben Zügen stehen. Wenn jedoch noch etwas Wichtiges passiert, kommt dieses Thema in das Sendungsprogramm und ein bisheriges fliegt raus. 

Besprechung der kommenden Abendausgabe, Foto Maksim

News schon zum Frühstück 

Cornelia Boesch ist jedoch nicht erst seit 14:30 Uhr im SRF-Studio. Ihr Dienst fängt nämlich schon zwischen 11:30 Uhr und 12:00 an. Boeschs News-Tag fängt aber schon früher an, wenn sie die ersten Radionachrichten hört und Zeitungen liest, um gut informiert zu sein.  

Wenn sie am Mittag ins SRF-Studio kommt, spricht sie zuerst mal mit dem Produzenten, der für den Tag die publizistische Leitung hat. Er bestimmt unter anderem, welche Themen es gibt, wie sie gestaltet sind und welche Reihenfolge diese in der Sendung haben sollten. Der Produzent gibt der Moderatorin bekannt, was er für die Sendung geplant und vorgesehen hat. Meistens schauen sie zusammen die Mittagssendung der Tagesschau, um zu wissen, was das Team der Mittagsausgabe alles gemacht hat. Nach dem Mittag ist dann um 14:30 Uhr die Redaktionssitzung, wo die Abendsendung anfängt an Form zu gewinnen. 

40 eigene Korrespondent*innen als Fenster zur Welt 

Nach der Sitzung folgen wir Cornelia Bosch zu ihrem Arbeitsplatz, wo sie ihre Moderationen vorbereitet und sich in diverse Themengebiete einliest. „Wir haben ein europaweites Mediennetz, die European Broadcasting Union (EBU), bestehend aus diversen Agenturen wie Associated Press (AP) und Agence France-Presse (AFP), welches uns rund um die Uhr mit Wortmeldungen, Bild- und Videomaterial sowie Informationen von den Brennpunkten der Welt versorgt“, erklärt sie uns, „und es berichten rund 40 Korrespondenten für SRF weltweit.“ Sie zeigt uns ein Programm für die Beitragserstellung. Die Beiträge für die Tagesschau werden in diesem Programm erstellt und bearbeitet. Wenn Cornelia Boesch selbst einen Beitrag schreibt, beschäftigt sie sich meistens den ganzen Tag sehr intensiv immer nur mit genau diesem Thema. Sobald die Moderationen in diesem Programm fertig geschrieben sind, werden sie vom Korrektorat nochmals überprüft.

„Da ich ein sehr ungeduldiger Mensch bin, gefallen mir Sachen, bei denen ich warten muss, weniger.“  
Cornelia Boesch, Tagesschaumoderatorin 

Cornelia Boesch verlässt uns eine kurze Weile, da sie ihre Moderationen für die Tagesschauausgabe schreiben und noch in die Maske muss. „Da ich ein sehr ungeduldiger Mensch bin, gefallen mir Sachen, bei denen ich warten muss, weniger. Wie zum Beispiel in der Maske zu sitzen und zu warten“, erzählt sie uns. 

Die Moderatorin bringt uns zu Jonas Hinck, der gerade an einem Beitrag über Marlon Brando dran ist. Dieser Beitrag kommt am Abend dann in der Tagesschau vor. 

Grossraumbüros, Foto Maksim

Keine Text-Bild-Schere bei Marlon Brando 

Jonas Hinck zeigt uns, wie er an diesem Beitrag über Marlon Brando arbeitet. Der Produzent gibt vor, welche Beiträge darin vorkommen sollen, Hinck muss sich jedoch selber überlegen, wie er seinen Beitrag gestalten soll. Er nutzt als Vorlage für seinen Beitrag über Marlon Brando Bilder, Videos und Filmsequenzen aus einem Beitrag von G&G. „Ich nutze dabei folgendes Programm“, er zeigt auf den Bildschirm, „hier kommt der Text hin und hier die dazugehörigen Bilder.“ Bevor Cornelia Boesch geht, erklärt uns noch das Konzept der Text-Bild-Schere: „Es ist wichtig, dass die gezeigten Bilder mit dem gesprochenen Text zusammenhängen, damit es nicht zu einem Auseinanderklaffen von Informationen der beiden Medien kommt und es bei den Zuschauenden für Verwirrung sorgt.“ 

Jonas Hinck arbeitet eine Weile daran, bis er alle Texte für seinen Beitrag geschrieben und alle Bilder und Videosequenzen zusammen hat. Dann geht er mit uns einen Stock höher zum Schnittplatz. Dort lernen wir Walter Schrepfer kennen. Zusammen machen sie sich nun daran die Bilder und Videosequenzen aneinanderzureihen. Der Beitrag zu Marlon Brando nimmt nach und nach Gestalt an. 

Als alles fertig zusammengeschnitten ist, holen Walter Schrepfer und Jonas Hinck eine Sprecherin dazu. Diese spricht den Text vor, der Hinck geschrieben hat. Nun ist der Beitrag über Marlon Brando fast fertig. Es fehlt nur noch eine Kleinigkeit. Marlon Brando erzählt im Beitrag in einer kurzen Videosequenz etwas und die deutsche Übersetzung soll noch von einem Mann gesprochen werden. 

Alleine im Studio und doch nicht einsam 

 Es ist nun schon bald halb acht und wir werden von Cornelia Boesch abgeholt. Gemeinsam fahren wir in den Keller hinunter, wo sich das Studio befindet. SRF-News wechselte im November 2022 in das neue 70 Millionen Franken teure Studio, das mit hochautomatisierten Kameras ausgestattet ist, die vorprogrammierte Abläufe ausführen und somit weniger Personal für die Sendungen benötigen. Das Studio war eigentlich viel grösser geplant, doch es lief nicht alles ganz so, wie es geplant war. SRF kriegte online von den Zuschauer*innen auch relativ viel Kritik an dem Design des Studios. User schrieben beispielsweise, dass das Studio „lächerlich“ aussehe, ein „teurer Flop“ sei und wie „secondhand bei einem Lokalsender geklaut“ aussehe.  

Angelangt bei der Regie wird Cornelia Boesch verkabelt, bevor wir sie in das Studio begleiten, welches in rotem Licht gehalten wird. Dort wird Boesch von ihrer Maskenbildnerin nochmals hergerichtet. Die Moderatorin sitzt hinter ihrem Moderationspult auf einem hohen Stuhl. „Die Decke ist für die Kamera zu tief, weshalb ich nicht stehen kann“, erklärt sie uns mit einem Schmunzeln. Um sie herum stehen die besagten Kameras. Hinter diesen ist keine Menschenseele, denn diese Kamera stehen auf Schienen und werden von der Regie aus gesteuert.

Sendungsleitung in der Regie, Foto Maksim

Bevor die Abendsendung der Tagesschau beginnt, verlassen wir Cornelia Boesch und gehen zurück in die Regie. Von dort aus können wir sie beobachten. Es wird ein Countdown heruntergezählt und dann ist die Moderatorin auf Sendung. Während sie vor der Kamera der Schweiz die neusten News berichtet, achtet die Regie im Hintergrund darauf, dass alles reibungslos abläuft. Auf mehreren Bildschirmen überwachen sie das Geschehen der Sendung. Während die verschiedenen Beiträge laufen, hat Cornelia Boesch kurze Pausen, bis der Countdown wieder angibt, wann sie weiter moderieren soll.  

Die Sendung verläuft ohne Pannen und nachdem Boesch fertig ist, kommt sie in die Regie. Dort wird ihr wieder das Mikrophon abgenommen. Reichen 25 Minuten, um die Welt zu erklären? „Nein, natürlich nicht», sagt Cornelia Boesch, «Jedoch ist es unsere Aufgabe, eine verantwortungsvolle Auswahl der Themen in einer Sendung zu treffen.“ 

„Die Moderation am Abend ist eigentlich der Höhepunkt an einem Arbeitstag.“ 
Cornelia Boesch, Tagesschaumoderatorin 

Zusammen mit ihr gehen wir wieder hinauf zu den Büros. „Die Moderation am Abend ist eigentlich der Höhepunkt an einem Arbeitstag“, erzählt sie uns. Dank einer freundlichen Mitarbeiterin ist es uns möglich, noch einmal ins Studio runterzufahren, um einige Fotos zu machen. Ein letztes Selfie mit der Moderatorin Cornelia Boesch und wir fahren bereits durch das nächtliche Zürich Richtung Bern. Wir erinnern uns noch an ihre Worte: „Man arbeitet den ganzen Tag mit einem grossen Team an dieser Sendung und wenn man diese dann gemeinsam erfolgreich rüberbringt, ist das immer ein gutes Gefühl.“ 

Porträt: Cornelia Boesch 

Cornelia Boesch ist eine Schweizer Journalistin. Sie moderiert die Hauptausgabe der Tagesschau des Schweizer Radios und Fernsehens. Nach der Schule ging sie mehr oder weniger direkt zum Radio. Boesch machte ihre Diplomausbildung am Medienausbildungszentrum in Luzern und begann ihre Karriere beim Radio Zürisee. Dort arbeitete sie fünf Jahre, bis sie zum Radio Z wechselte. Nachfolgend arbeitete sie als Reporterin bei DRS 1. Für das Schweizer Radio und Fernsehen wurde sie ab 2004 tätig. Dort moderierte sie zuerst die Nachtausgabe der Tagesschau. Die Hauptausgabe der Tagesschau moderiert sie seit 2011.   

Cornelia Boesch, Foto Maksim

Auszug aus dem Interview mit Cornelia Boesch 

Welche Kriterien werden bei der News-Auswahl angewendet?   

Man wendet unterschiedliche an, jedoch probierst du möglichst nahe bei den Leuten zu sein. Du überlegst dir, was die Leute am meisten interessiert. Häufig ist es etwas, was sie selbst betrifft. Es kommt also meistens auf die Nähe drauf an. Was bei uns am meisten Quote bringt, sind Unwetter in der Schweiz. Je fremder und weiter weg etwas den Leuten ist, je weniger sie in ihrem Alltag damit zu tun haben, desto irrelevanter ist dieses Thema für uns und den Zuschauer*innen. 

Geht es also vor allem darum, Beiträge zu finden die für eine grosse Einschaltquote sorgen? Ignoriert man manchmal Beiträge, die von grosser Wichtigkeit, aber für das Publikum zu weit weg sind?  

Es liegt ein bisschen in unserer Verantwortung, eine gute Balance zu finden. Wir können nicht auf Clickbaiting setzen oder auf Methoden, die sich möglichst gut verkaufen. Sonst könnten wir auch einfach Katzenvideos, Fails oder irgendwelche Rezepte senden. Es braucht eine Mischung aus Relevantem und Interessantem. 

Warum sind Medien wichtig, insbesondere öffentlich-rechtliche?  

Medien sind wichtig, um sich zu informieren, damit sich jede Person selbst Meinungen bilden kann. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind wichtig, da sie am meisten darauf schauen, dass alle Seiten zu Wort kommen. Sie achten sich darauf, dass das ganze Meinungsspektrum abgebildet wird. Dies benötigt viel Zeit und somit Geld. Private Medien können sich das deshalb nicht leisten. 

Kann man bei jeder Geschichte neutral bleiben?  

Es kommt etwas auf das Thema drauf an. Es gibt Themen, wo es eine gewisse Empathie braucht. Man sollte vor allem neutral sein, wenn es um Politik geht. Während des Moderierens sollten die Zuschauer*innen nicht merken, was ich von gewissen Themen halte.   

Quellennachweise:

https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizer_Radio_und_Fernsehen

https://als.wikipedia.org/wiki/Cornelia_Boesch

https://www.srf.ch/sendungen/hallosrf/publikumsfragen/information/von-wo-bezieht-srf-die-news

https://www.20min.ch/story/besenkammer-look-zuschauer-spotten-ueber-neues-teures-srf-studio-377491129349

https://www.srf.ch/play/tv/srf-news-videos/video/neues-studio-von-srf-news-in-betrieb?urn=urn:srf:video:58a4dc91-7241-43a6-9959-205491b9bcb8